Eine Künstlerfamilie - Anka Kröhnke

Gesa Bartholomeyczik

Seit den ersten Collagen von Pablo Picasso und Georges Braques im Kubismus, seit DADA und Kurt Schwitters und seit den Vorkursen am Bauhaus unter Johannes Itten und Laslo Moholy-Nagy in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts gehört die kreative Einbeziehung von Fundmaterialien zu den bevorzugten Strategien der modernen Kunst überhaupt. Auch die Textilkunst hat seit den sechziger Jahren – parallel zu den Entwicklungen von Arte Povera, Objekt- und sogenannter Materialkunst – gerade durch die Aufnahme von „fremden“, alltäglichen und unkonventionellen Materialien neue Impulse für die formale Erneuerung, die ästhetische Brechung und die Verbindung von Kunst und Leben gewonnen. Anka Kröhnke ist in dieser Hinsicht selbstverständlich von ihrer Zeit geprägt, ganz besonders aber wohl auch durch das künstlerische Werk ihrer Eltern, die ihre Kunst in den zwanziger und dreißiger Jahren in Berlin, unter dem Einfluss der französischen Avantgarde und des Futurismus entwickelten. Louise Rösler nahm in den Jahren nach dem Krieg, als sie mit der jungen Anka allein lebte, vor diesem Hintergrund nicht nur aus Materialmangel oftmals collagierte Elemente in ihre Bilder auf. Jedoch sind Anka Kröhnkes materielle Experimente zu jeder Zeit aus der eigenen künstlerischen Entwicklung motiviert; sie entstehen aus der eigenen Neugier auf neue und ideell tragfähige Erscheinungsweisen des textilen Mediums.

Wie sich gezeigt hat, bilden Technik, Form und Farbe in jedem Werk eine untrennbare, ästhetisch aufeinander bezogene Einheit. „Kompositon und Technik sind voneinander abhängig, d. h. ich bin bemüht, aus der jeweiligen Technik das Äußerste an kompositionellen Möglichkeiten herauszuholen, ohne dass das Gewebe an Exaktheit verliert. Die Komposition soll harmonisch sein, aber auch genügend Spannung enthalten, um das Auge zu beschäftigen.“

Äußerst innovations- und experimentierfreudig nimmt Anka Kröhnke über Jahrzehnte eine unverwechselbare, stets auf der Höhe der Zeit befindliche Position innerhalb der deutschen Textilkunst ein, ohne die handwerklichen Traditionen ihres Metiers zu negieren. Kraft und Vitalität, Heiterkeit und Harmonie sind Begriffe, die sie verwendet, wenn sie die angestrebte emotionale Verfassung ihrer Werke beschreibt, und die heute ein wenig aus der Mode gekommen scheinen. In ihrem Werk verbinden sie sich mit einer handwerklichen Disziplin, einer formalen Sicherheit und einem ideellen Potential, wie es große Kunst überhaupt ausmacht.

Aus: Katalog „Triennale des norddeutschen Kunsthandwerks 2000“